Hoch hinaus zum Abschluss – Tiroler Naturführerkurs Jubiläumskurs Modul Gebirge, Nationalpark Hohe Tauern, 20.-23. 6. 2019
Nachdem wir in den ersten Kursmodulen zu den Lebensraumschwerpunkten Wasser, Wald und Wiese in drei der fünf Tiroler Naturparke zu Gast waren, darf zum Abschluss auch die „Königsklasse der Schutzgebiete“ nicht fehlen. Der Nationalpark Hohe Tauern bietet ein wunderbares Setting, um sich mit den speziellen Anpassungen von Gebirgspflanzen und -tieren zu beschäftigen. Außerdem lädt das zumindest unter Geologen weltweit bekannte Tauernfenster uns dazu ein, nochmal die Grundlagen der Geologie zu vertiefen – mit besonderem Augenmerk auf die metamorphen Umwandlungsgesteine, die für die Region so charakteristisch sind.
Wir beginnen die Einheit mit dem der Gruppe aus Modul 1 bekannten Geologen Magnus Lantschner auf einem Aussichtsplatz mitten in Kals, unweit von unserem Basilager für diese vier Tage, dem Ködnitzhof. Von hier aus bietet sich eine Aussicht, die in geologischer Hinsicht lehrbuchreif ist: Der Rasegg-Schwemmfächer auf der gegenüberliegenden Talseite stellt fast einen idealisierten Prototyp für einen massiven alpinen Schwemmkegel dar. Landschaftselemente wie dieses erzählen von einer relativ jungen Talgeschichte (GeologInnen denken natürlich in anderen Zeiträumen!). Die umgestaltenden Kräfte einer Eiszeit würde ein derartiger Schwemmkegel nicht überdauern, da es sich nur um eine riesige Ansammlung aus losem Schuttmaterial handelt. Die angenehm wärmenden morgendlichen Sonnenstrahlen nutzen wir zum Ankommen in der Welt der Steine und der dafür relevanten Zeiträume mittels einer Gedankenreise. Magnus erzählt im Zeitraffer den Werdegang eines der geologischen Aushängeschilder der Hohen Tauern. So vergehen in wenigen Minuten gut 150 Millionen Jahre, bis der grüne Serpentinit nach einer langen Reise durch die Erdkruste vor „nur“ 5-10 Millionen Jahren erstmals ans Sonnenlicht kommt. Wie ein Korken schnellen die Gesteine des Tauernfensters in die Höhe und schlussendlich an das Licht der Welt, nur eben mit den Geschwindigkeiten, die in der Geologie selbstverständlich sind – bei dieser Aufwärtsbewegung gehen Fachleute von etwa einem Millimeter pro Jahr aus.
Nach dem kurzen Einstieg fahren wir in Richtung Dorfertal. Bevor wir uns auf die geologische Wanderung machen, stellt Magnus noch seine „eierlegende Wollmilchsau“ vor. Damit meint er den Versuch, auf einer einzigen mehrere Meter langen Bodenplane all jene erdgeschichtlichen Zeitalter mitsamt der wichtigsten Organismen, Ablagerungs- und Auffaltungsprozesse bildhaft darzustellen, die für die Alpen und ihrer Gesteine von Bedeutung sind.
Am Einstieg der Daba-Schlucht bekommen die KursteilnehmerInnen noch zwei Aufgaben für die Wegstrecke, ausgerüstet mit verdünnter Salzsäure und einem Hammer: den für die Gegend charakteristischen Grünschiefer (der Name verrät hier schon einiges!) zu finden, und die ähnlich aussehenden, aber chemisch sehr unterschiedlichen Minerale Quarz und Calcit (Kalkspat) unterscheiden zu lernen. Calcit bricht gerade ab und schäumt unter Zugabe von verdünnter Salzsäure auf, da das Calciumcarbonat aufgelöst und Kohlendioxid freigesetzt wird. Außerdem kann die Härte eines Gesteins ein wertvolles Indiz zur Unterscheidung sein. Härtere Minerale ritzen weichere an – der Geologe Friedrich Moos nutzte schon im frühen 19. Jahrhunderten diese einfache Einsicht zur Erstellung einer Härteskala von 1 bis 10, auf der Calcit das Referenzmineral für den Wert 3 (mit Kupfermünze ritzbar, mit Taschenmesser erst recht) und Quarz jenes für den Wert 7 (ritzt Fensterglas) darstellt. Nicht zu verwechseln ist die Härte mit der Zerbrechlichkeit eines Minerals.
Noch ehe wir bei den Suchaufträgen fündig werden, stoßen wir auf weitere biologische und geologische Schätze: die wunderschöne Orchidee Frauenschuh (Cypripedium calceolus) als Kalkzeiger und den Quelltuff – hierbei handelt es sich um ein sehr junges Gestein, das durch die Auswaschung von Calciumcarbonat aus dem Kalkglimmerschiefer durch das Hangwasser entsteht. Später gelingt es auch, den Suchauftrag zu erfüllen: Grünschiefer, Quarz und Calcit sind allesamt entdeckt, Salzsäure und Ritzen bestätigen die Vermutungen.
Im Hochtal angekommen, packt Magnus sein Rieselbild aus, bei dem verschiedene Sedimentationsprozesse zwischen zwei eingerahmten Glasscheiben verständlich gemacht werden. Er lässt dabei Sand, Schotter, Muschelstücke und andere symbolische Sedimente sich ablagern. So werden Buntsandstein, Salz- und Gipsablagerungen, Wetterstein, Hauptdolomit, Partnach-Schichten, Hauptdolomit, Ölschiefer, Kössener Schichten, Oberrät- und Adneter Kalk sowie die Allgäu-Schichten und Radiolarit zu mehr als trockenen Begriffen, mit denen unsere Vorstellungskraft bei Geologie-Vorträgen nur allzu oft zu kämpfen hat. Zum krönenden Abschluss dieser Performance simuliert Magnus noch einen Vulkanausbruch mit selbst angerührtem Magma.
Am Nachmittag geht es darum, mit den wichtigsten metamorphen Mineralien und Gesteinen näher auf Tuchfühlung zu gehen: ausgestattet mit Lupen, Infoblättern, Mineralien in Reinform und verschiedenen Gesteinen machen wir uns mit Glimmer, Feldspat, Granat und Co. vertraut und beschäftigen uns mit den Bedingungen, unter denen sie jeweils entstanden sind. Zum Abschluss des einschluss- und aufschlussreichen Tages berechnet eine Kleingruppe die Dichte verschiedener Steine über zweimaliges Abwiegen mit einer Federwaage – einmal an der Luft und einmal in Wasser getunkt. Über die Differenz lässt sich einfach das Volumen und in Folge die Dichte ermitteln. Andere Kleingruppen runden das Erlebte mit verschiedenen Steinkunstprojekten ab: manchmal dürfen Steine auch „einfach nur schön sein“!
Am zweiten Tag steht eine Exkursion ins Ködnitztal mit dem Schwerpunkt Naturbeobachtung und Wildtiere auf dem Programm. Unser Begleiter Andreas Angermann ist nicht nur schon seit 17 Jahren Ranger im Nationalpark Hohe Tauern, sondern auch erfahrener Jäger. Da kommen über die Jahre eine ganze Menge Beobachtungen und Wissen zusammen. Wir haben also bei der Wildtier-Exkursion mit Andreas die Gelegenheit, diesen reichen Erfahrungsschatz anzuzapfen und uns von seiner Begeisterung für sein „Revier“ (damit ist natürlich nicht nur sein Jagdrevier im engen Sinne gemeint) anstecken zu lassen.
Doch nicht nur unser Referent und seine Kompetenz machen Eindruck: Er bekommt kräftige Unterstützung von den eigentlichen Stars im Nationalparkgebiet. Die berühmten alpinen „Big Five“ (Murmeltier, Gämse, Steinbock, Steinadler, Bartgeier) lassen sich fast in Vollbesetzung blicken. Nur der Bartgeier (Gypaetus barbatus) ist am Freitag verhindert und lässt sich vom Gänsegeier vertreten. Doch auch diese Sichtung ist bemerkenswert, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass unser Begleiter diese Art bisher noch nie im Ködnitztal beobachtet hat.
Bei unserem Aufstieg vom Lucknerhaus in Richtung Lucknerhütte beginnen wir mit den Kleinen unter den Großen. Schon nach wenigen Schritten werden wir auf Alpenmurmeltiere (Marmota marmota) aufmerksam und beginnen die erste intensive Beobachtungseinheit. Andreas erzählt von Katzen, Bären, Äffchen und Kuckuckskindern (so sprechen Murmeltier-Insider), während wir im Hintergrund passenderweise den charakteristischen Ruf des Kuckucks (Cuculus canorus) hören. Kurz darauf hören wir ein schrilleres, durchdringendes Geräusch: Bei einem einzelnen Murmeltier-Pfiff (genau genommen handelt es sich um einen Schrei) lohnt sich ein schneller Blick gen Himmel, da die Tiere sich damit gegenseitig auf unmittelbare Gefahr hinweisen (meist ein möglicher Angriff aus der Luft) – die Reaktion auf eine potentielle Gefahr (zum Beispiel ein sich in der Umgebung befindlicher Fuchs, oder eine sich nähernde Wandergruppe) sind hingegen mehrere sehr kurze Pfiffe in Folge. Und siehe da, das Murmeltier ist zurecht in Alarmbereitschaft: Gerade in diesem Moment kommt ein Greifvogel mit beachtlicher Flügelspannweite in unser Blickfeld. Es handelt sich aber nicht, wie zuerst erwartet, um den wichtigsten Fressfeind des Murmeltiers, den Steinadler, sondern um den Gänsegeier (Gyps fulvus) – dieser stellt zwar eigentlich keine Gefahr für die Murmeltiere dar, doch diese Unterscheidung auf den ersten Blick gelingt nur erfahrenen Murmeltieren, die mit beiden Arten vetraut sind. Der Blick durch die Ferngläser auf den Sommergast mit bis zu 2,7 Metern Flügelspannweite ist für uns großes Kino. Es dauert nicht lange, da lässt sich von der selben Stelle auch ein Steinadler (Aquila chrysaetos) sehen. Doch nicht nur das bekannte Wappentier erntet bewundernde Blicke durch die vergrößernde Optik – spektakulär ist auch die draufgängerische Art und Weise, mit der eine kleine Gruppe von Alpendohlen (Pyrrhocorax graculus) den Steinadler vertreibt. Die Vögel bieten uns eine beeindruckende Flugshow, die vergleichsweise kleinen Alpendohlen haben aufgrund ihrer Wendigkeit nichts zu fürchten. Ganz in der Nähe entdecken wir noch zwei kleinere typisch alpine Vogelarten am Boden und auf einem Zaunpfahl: die Ringdrossel (Turdus torquatus) und die Misteldrossel (Turdus viscivorus).
Beim nächsten Beobachtungsstopp schwenkt unser Fokus vom Himmel auf die Berghänge des Ködnitztals. Linkerseits sichten wir eine Gruppe von Steingeißen, rechterseits den bekannten Steinbock mit dem technischen Namen „K10K“. Dieser ist aus der Ferne leicht zu erkennen (der Blick durch das Spektiv ist sehr lohnend), da ihm ein Stück eines Horns abhanden gekommen ist. Die Populationsgröße des Alpensteinbock (Capra ibex) in diesem Tal ist beeindruckend, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass durch die starke historische Bejagung diese Tierart schon einmal fast aus dem ganzen Alpenraum verschwunden war. Nur etwa 60-80 Individuen im italienischen Gran Paradiso Gebiet bilden die Vorfahren aller heute im Alpenbogen heimischen Steinböcke. Auch die Gämsen (Rupicapra rupicapra) kommen in großer Anzahl vor – wir kommen aus dem Beobachten kaum mehr heraus! Währenddessen werden Themen wie Naturschutz (Drohnenflug, Flugsport) und Krankheiten bei Stein- und Gamswild diskutiert.
Bevor wir uns die Dauerausstellung im Nationalparkhaus in Matrei in Osttirol zu Gemüte führen, lässt uns Andreas noch an seinem reichen Jägerwissen teilhaben. Wir erfahren interessantes zu Anatomie, Alters- und Geschlechtsbestimmung und historischer Bejagung von Steinbock und Gämse. Im Nationalparkhaus können wir einen präparierten Bartgeier ganz aus der Nähe bestaunen, während Andreas von einem der Highlights seiner Ranger-Laufbahn erzählt. Den Bartgeier „Felix“ aus Barcelona trug er selbst in einer Holzkiste ins Gebirge, bevor er im Rahmen des Wiederansiedelungsprojektes in die Freiheit entlassen wurde.
Am Samstag, dem Tag mit dem meisten Regen, haben wir das Glück, ein Seminar mit Kommunikations- und Naturvermittlungsexperten Martin Kreijcarek in den Räumlichkeiten des Ködnitzhof verbringen zu dürfen. Martin gehört zu den Pionieren der österreichischen Naturpädagogik-Szene, arbeitet als Trainer aber auch mit zahlreichen Unternehmen und öffentlichen Insititutionen. Wir beschäftigen uns mit Vorurteilen, Gruppendynamiken und Interaktionsmustern. Dabei gehen wir vor allem den Fragen nach, wie qualitative Gruppenleitung aussehen kann, und welche Zutaten den Mix einer gelungenen Naturveranstaltung ausmachen. Wir diskutieren über zu beachtende Rahmenbedingungen, Bedürfnisgruppen, Themen-Fokus („claim“), Methodik und Dramaturgie („das Spiel mit der Spannung“). Abschließend tauschen wir uns aus über die Vielfalt an verschiedenen Methoden, die eine Naturführung spannend, vielfältig und nachhaltig beeindruckend machen können.
Vera Margreiter vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck begleitet uns am letzten Tag des Jubiläumskurses noch einmal durch das Ködnitztal in Richtung Großglockner – soweit es der Zeitplan und die Schneelage zulassen. Im Vergleich zur Wildtier-Exkursion mit Andreas Angermann haben wir unseren Blick aber auf eine andere Brennweite eingestellt, und unser Fokus gilt diesmal mehr dem Boden samt Bewuchs statt dem Himmel und den entfernten Hängen. Doch Vera wird uns vorführen, dass auch im Kleinen große Sehenswürdigkeiten verborgen liegen. Ihre beachtliche Fachkenntnis zur alpinen Flora paart sich mit einer ansteckenden Begeisterung für die „Höchstleistungen“ und speziellen Anpassungen der Gebirgspflanzen.
Schon nach wenigen Schritten machen wir zum ersten Mal Halt, da wir uns bereits mitten in einem für Gebirgslagen typischen Vegetationstyp befinden. Die Hochstaudenflur ist durch feuchten, nährstoffreichen Boden gekennzeichnet. Hier wachsen stark wüchsige krautige Pflanzen mit großer Blattfläche, wie zum Beispiel der Kahle Alpendost (Adenostyles alliariae) und die Meisterwurz (Peucedanum ostruthium), welche zumindest den Schnapsliebhaberinnen und Naturheilkundlern schon ein Begriff sein sollte. Wir bekommen auch wertvolle Unterscheidungstipps für die Blätter der beiden Arten Huflattich (Tussilago farfara) und Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus). Diese blühen zwar sehr unterschiedlich, aber nach Verschwinden der Blüte ist genaueres Hinschauen angesagt – der Huflattich ist unter anderem an den hufeisenförmig angeordneten Leitbündeln zu erkennen. In der Strauchschicht dominiert die Grün-Erle (Alnus alnobetula), begleitet von der Felsen-Johannisbeere (Ribes petraeum).
Beim nächsten Stopp beschäftigen wir uns noch einmal mit dem ökologisch wichtigen Thema von Pflanzen als Indikatoren. Wir sind mit einer absoluten Kuriosität konfrontiert, finden wir doch die Rostrote Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) und die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) an ein und derselben Stelle. Erstere zeigt in der Regel silikatischen Untergrund an, zweitere hingegen deutet auf Kalk. Zusammen sprechen sie für die komplexe geologische Situation des Tauernfensters und erinnern uns daran, dass auch auf kalkhaltigen Gesteinsuntergründen eine oberflächliche Versauerung stattfinden kann. Weiter oben, im Bereich der alpinen Rasen, bilden sich auf kalkreichem Untergrund Blaugrasrasen (Kalk-Blaugras, Sesleria albicans) aus, während auf silikatischem Gestein die Krumm-Segge (Carex curvula) die Leitart ist. Der Einfluss des geologischen Untergrunds auf die Vegetation nimmt im Hochgebirge zu, da durch die geringeren Bodenmächtigkeiten die Pflanzen stärker von den Eigenschaften des darunter liegenden Gesteins beeinflusst werden. Eine weitere Spur im „Indikatoren-Krimi“ erhalten wir von der Alpen-Soldanelle (Soldanella alpina). Wo diese kleine Alpenpflanze blüht, muss die Schneedecke erst vor kurzer Zeit verschwunden sein.
Noch nasser als in der Hochstaudenflur sind die Bedingugnen in der Quellflur – hier sind die Pflanzen zwar dauerhaft wasserversorgt, müssen aber mit geringer Nährstoffzufuhr auskommen: ein Fall für Spezialisten wie die Bach-Gänsekresse (Arabis soyeri), den Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides) und das Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina). Abgesehen von diesem kleinräumigen Feuchtstandort befinden wir uns in der Höhenstufe der alpinen Zwergstrauchheide. Die namensgebenden kleinen Sträucher haben zwar verholzte Stängel, bleiben aber im Wuchs klein und bodennah. Wir stoßen auf den Wacholder (Juniperus communis), die Rauschbeere (Vaccinium uligunosum), die oft auf Kalk vorkommende Schneeheide (Erica carnea) und die für silikatischen Untergrund typische Besenheide (Calluna vulgaris). Die Weideflächen dazwischen stechen durch farbenprächtige Blumenvielfalt hervor. Das Gestutzte Läusekraut (Pedicularis recutita), das Alpen-Helmkraut (Scutellaria alpina), die Alpen-Mutterwurz (Mutellina adonidifolia) und der Berg-Baldrian (Valeriana montana) sind einige der besprochenen Arten. Dazwischen finden wir die in der Volksheilkunde bedeutenden Arten Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) und Gewöhnlicher Frauenmantel (Alchemilla vulgaris). Für die ästhetisch besonders reizvollen dunkelblauen Farbtupfer sorgen der Frühlings-Enzian (Gentiana verna) und der Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii).
Den höchsten Punkt unserer botanischen Wanderung erreichen wir oberhalb der Lucknerhütte nach Durchquerung eines Schneefeldes auf etwa 2.300 Meter Meereshöhe. Hier ist die Vegetationsperiode schon deutlich kürzer, die klimatischen Bedingungen sind rauher und auch die Wasser- und Nährstoffversorgung sind durch die geringere Bodenmächtigkeit eingeschränkt. Pflanzen, die hier bestehen wollen, brauchen ganz besondere anatomische und physiologische Anpassungen. Horstgräser schützen ihre Erneuerungsorgane, indem die unzersetzten abgestorbenen Blätter eine dicke Isolierschicht um die empfindlichen Pflanzenteile bilden. Auch die alpinen Polsterpflanzen erzeugen durch ihre Wuchsform ein begünstigstes Mikroklima und halten so die Höhenrekorde für Blütenpflanzen in den Alpen: wir finden den Roten Steinbrech (Saxifraga oppositifolia), der in den Westalpen auf bis zu 4.500 Meter „klettert“. Ähnlich gipfeltauglich ist die Polsternelke (Silene acaulis). In der Regel kommen auf dieser Höhe oberhalb der alpinen Zwergstrauchheide keine Pflanzen mit verholzten Pflanzenteilen mehr vor, doch die Regel schreit nach einer Ausnahme: Die am Boden dahin kriechende Netz-Weide (Salix reticulata) vom Wuchstyp Spalierstrauch kommt noch weit oberhalb der Zwergstrauchgesellschaften vor. Abschließend diskutieren wir die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Vegetation im Hochgebirge.
Bevor wir wieder den Abstieg ins Tal antreten und uns somit Schritt für Schritt dem Ende der 16tägigen Ausbildung nähern, erinnern wir uns am Fuß des mächtigen Großglockners noch an eine jahrtausendealte Tradition. Wir drücken zum Abschluss aus, wofür wir dankbar sind: für unvergessliche und prägende Erlebnisse, für neue Freundschaften, für die Fülle und Schönheit der Natur. Möge dieser Kurs den TeilnehmerInnen die Inspiration und das nötige Werkzeug in die Hand gegeben haben, um das Geschenk der Naturverbundenheit erfolgreich weitergeben zu können und die Funken der Begeisterung für die Natur im Land zu versprühen.