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„Wasser marsch!“ für den Tiroler Naturführerkurs 2022 im Naturpark Karwendel

Modul 1 mit Schwerpunkt Wasser kann beginnen: Bei freundlichem Frühsommerwetter werden die angehenden Tiroler Naturführerinnen und Naturführer vom ebenso freundlichen Mag. Hermann Sonntag, langjähriger Geschäftsführer des Naturpark Karwendel und Experte für Feuchtlebensräume, beim Gasthof Zur Post in Hinterriß empfangen. Seine Begeisterung für wassergeprägte Ökosysteme merkt man ihm auch an, wenn er beim ersten Halt an der Mündung des Johannisbaches auf die Eigenschaften einer weitgehend natürlich erhaltenen Wildflusslandschaft aufmerksam macht. In diesem hochdynamischen Lebensraum sorgt die Energie des Wassers immer wieder für Bewegung. Ein Spezialist, der bestens an das Leben auf der Schotterbank angepasst ist, ist der Flussuferläufer, um dessen Schutz das Naturparkteam besonders bemüht ist. In den Brutgebieten dieses Zugvogels herrscht im späten Frühling Betretungsverbot der Schotterflächen. Zu groß wäre sonst die Gefahr, dass die perfekt getarnten Eier der wenigen Brutpaare, die zwischen die Steine der Schotterbank gelegt werden, auch ohne böse Absicht zertreten werden. Vom Waldrand her übertönt der Gesang eines Berglaubsängers das Rauschen des Rißbaches. Das Totholz auf der Schotterbank ist gleichzeitig Lebensraum und Lebensraumgestalter, durch seine Einwirkung auf Strömung und Sedimentationsprozesse. Da der Naturpark Karwendel einige derartige wilde Perlen aufweisen kann, und dazu noch viele artenreiche Kulturlandschaften von hohem biologischem und ästhetischem Wert, wurde er in das europäische Schutzgebietsnetzwerk „Natura 2000“ aufgenommen.

Hermann Sonntag hat den Überblick

Wildflusslandschaft am Rißbach

 

 

 

 

 

 

 

Am Großen Ahornboden haben wir einen weiten Rundblick; eine gute Gelegenheit, um in der Landschaft auf Spurensuche zu gehen. Nicht auf die Fährten von Tieren haben wir es heute abgesehen, sondern auf die großen landschaftsgestaltenden Kräfte. „Aus der Landschaft lesen“ lernen, eine spannende und interessante Beschäftigung für alle Naturvermittler*innen. Neben geologischen Prozessen und den Spuren von Eiszeit und Verwitterung ist es vor allem der moderne Mensch, der durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus und Naturschutz die Entwicklung des Landschaftsbildes prägt. An die Stelle einer verklärenden „Natur pur“-Pauschalisierung, wie wir sie aus manchen Tourismuswerbungen gewohnt sind, kommen die zukünftigen Naturführer*innen so zu einem differenzierteren Verständnis des uns umgebenden Natur- und Kulturraumes.

Spuren in der Landschaft erkennen

Der Große Ahornboden ist nicht von ungefähr  so beliebt!

 

 

 

 

 

 

 

 

Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Große Ahornboden ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie eine über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft nicht nur ästhetisch, sondern auch naturkundlich außerordentlich wertvoll sein kann. Die mehrere Jahrhunderte alten Exemplare des Bergahorns stellen schon für sich einen Lebensraum dar. Über hundert Pflanzenarten wurden bei einer Untersuchung auf einem einzigen Baum kartiert (darunter das seltene Rudolphis Trompetenmoos), und vor allem die Höhlenbrüter unter den Vogelarten wie der Grünspecht finden hier wertvolle Habitate. Ein Problem, das nicht nur die Eng-Alm betrifft, sondern die Tiroler Viehwirtschaft im Allgemeinen, stellt die Eutrophierung der Böden dar, die durch den Import der Futtermittel zustande kommt. Auf solcherlei überdüngten Wiesen setzen sich wenige konkurrenzstarke Pflanzenarten durch, wie etwa der Scharfe Hahnenfuß, was sich negativ auf die Vielfalt von Pflanzen-, Insekten- und Vogelarten auswirkt. Nur auf den mageren, unbefahrbaren Kuppen können sich Spezialisten wie die Mehlprimel behaupten. Weitere diskutierte Kontroversen sind die für die Almwirtschaft kaum geeigneten modernen Milchrassen, der große Besucherdruck im Gebiet des Ahornbodens und die historische und zeitgenössische Adelsjagd im Rißtal.

Mehlprimel am Ahornboden

Über 100 Pflanzenarten auf einem Bergahorn!

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag gilt unsere Aufmerksamkeit ganz der Pflanzenwelt. Botanikerin MSc. Vera Margreiter hat eimerweise bunte Blumengrüße aus dem Inntal zur Veranschaulichung und Bestimmungsübung mitgebracht – im klimatisch begünstigten Inntal ist die Palette an blühenden Arten bereits deutlich breiter als im Rißtal, wo noch die so genannten Frühblüher am auffälligsten sind. Zum Aufwärmen beschäftigen wir uns mit verschiedenen Annäherungen zur pflanzlichen Vielfalt. Die Fragen beim Kennenlernen lassen sich direkt aus dem gesellschaftlichen Leben übernehmen: „Wie heißt du?“ (Systematik, Name), „Was machst du?“ (Verwendung, Nutzung) und „Woher kommst du?“ (Vorkommen, Verbreitung). Eine weitere wichtige Grundlage sind die botanischen Grundbegriffe, ohne die ein selbstständiges Bestimmen schwer möglich ist. Auch eine kurze Einführung in den pflanzlichen Lebenszyklus darf nicht fehlen. Wie der Pollen zur Narbe kommt und warum manche Pflanzenarten wie die Rote Lichtnelke oder die Brennnessel lieber „in unterschiedlichen Häusern“ wohnen, all das erklärt Vera mit viel Geduld in einer Sprache, die auch für die „Neophyten“ unter den Kursteilnehmer*innen verständlich ist.

Bunte Grüße aus dem Inntal

Vera Margreiter hilft bei der Bestimmung

 

 

 

 

 

 

 

Nach abgeschlossener Theorieeinheit rüsten wir uns mit Lupen und Bestimmungsbüchern aus und wagen uns an die Arbeit mit einfacher Bestimmungsliteratur nach Blütenfarbe und Blütenform. Um für die im Wissenschaftsbereich gängigen dichotomen Bestimmungsschlüssel gerüstet zu sein, müssten wir uns noch tiefer in das dafür notwendige Fachvokabular einarbeiten – zu viel für einen Nachmittag, aber eine Empfehlung zum Vertiefen für alle Pflanzenliebhaber*innen. Die mitgebrachten Eimer mit Hahnenfuß, Margerite, Wiesensalbei, Storchschnabel, Glockenblume, Rotklee, Bärlauch und Co. bringen Farbe und Duft in den Seminarraum und laden zur selbstständigen Beschäftigung mit dem Bauplan der Blüten ein. Schon bald sind die ersten Arten erfolgreich bestimmt, und wir machen uns mit den Lupen auf ins Gelände. Dort warten aufgrund der Höhenlage und des Nordalpenklimas noch Frühblüher wie Echte Schlüsselblume oder Huflattich auf die eifrigen Pflanzenforscher*innen. Wir haben an diesem Nachmittag ein solides botanisches Fundament errichtet, auf welchem wir im weiteren Verlauf der Ausbildung gut aufbauen können.

Bestäubung beim Wiesensalbei simulieren

Bestimmungsübung mit Lupen

 

 

 

 

 

 

 

Abendprogramm ist ein Besuch im benachbarten Naturparkhaus, wo uns der Biologe Mag. Sebastian Pilloni vom Naturpark-Team zu einem Überblick über das weitläufige Gebiet verhilft und die Teilnehmer*innen zum Erkunden der sehenswerten Dauerausstellung einlädt.

Schmetterlingsvielfalt auf einen Blick

Sebastian Pilloni im Naturparkhaus

 

 

 

 

 

 

 

Am zweiten Tag des Wassermoduls steht das Erforschen der Kleintiere im Rißbach im Mittelpunkt. Mit Limnologin Mag. Barbara Depisch ist eine Expertin mit von der Partie, die sowohl inhaltlich als auch methodisch viele Tipps für Naturführungen am Wasser auf Lager hat. Da das Bestimmen der Bachorganismen auf Artniveau Fachexperten vorbehalten bleibt, begnügen wir uns hier damit, uns zumindest auf der Ebene der häufigsten Ordnungen dieser Organismengruppe einen fundierten Überblick zu verschaffen. Im Vortrag vermittelt Barbara die charakteristischen Baupläne der Tiergruppen. Durch einfache Merkmalskombinationen fällt eine selbstständige Einordnung der Insektenlarven in die Ordnungen Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen, und die Zweiflügler-Familien Kriebelmücken und Lidmücken nicht schwer.

Barbara Depisch mit Grasfrosch

Kaulquappen vom Grasfrosch

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Forschungsexkursion an einen nicht gesperrten Bereich am Rißbach zeigt sich gleich, was mit „Naturführer*innentempo“ gemeint ist. Noch bevor wir die Schotterbank erreichen, machen wir Halt an einem unscheinbaren Tümpel am Wegesrand. Der kundige Blick der Expertin erkennt sofort, dass sich hier ein genaueres Nachsehen lohnt. Nachdem sich im Lauf weniger Minuten Grasfrosch mit Kaulquappen, Bergmolch-Weibchen und Männchen in Wassertracht samt Bergmolch-Larve sowie ein Alpensalamander zeigen, ohne dass wir uns von der Stelle bewegen, bietet sich ein Exkurs zum Thema Amphibien in Tirol an. Die jeweils häufigste heimische Frosch-, Molch- und Salamanderart haben wir direkt vor den Augen – die ebenfalls weit verbreitete Erdkröte begegnet uns vielleicht im Kursverlauf noch.

Bergmolch-Männchen in Wassertracht

Blick in die Becherlupe

 

 

 

 

 

 

 

Dass Wasser neben seiner Bedeutung als Lebensraum und -spender auch das menschliche Gemüt schnell aufzuheitern vermag, merkt man bei der Ankunft am rauschenden Bach. Nicht nur Kinder werden wie magisch vom kühlen Nass angezogen, auch Erwachsene betätigen sich gerne forschend und spielend am Wasser. Unter der Stereolupe wirken die gesammelten Larven besonders eindrucksvoll, und das Unterwasserfernrohr ermöglicht einen bewegten Einblick in den Lebensraum am Gewässergrund. Bestimmungsdetails wie die beweglichen Tracheenkiemen der Eintagsfliegen und die zwei Krallen an den Fußenden der Steinfliegen kommen mit unseren optischen Hilfsmitteln besonders gut zur Geltung. Aus der Bachmitte fischt ein mit Gummistiefeln ausgerüsteter Kursteilnehmer besonders eindrucksvolle Exemplare großer räuberischer Steinfliegenarten wie die schmucke Perla grandis. Bei den Köcherfliegen stoßen wir sowohl auf köcherlose als auch auf köchertragende Arten. Neben Insektenlarven finden wir mit den Strudelwürmern auch Organismen, die ihren gesamten Lebenszyklus im Wasser bestreiten. Die Regenerationsfähigkeit dieser evolutionsgeschichtlich alten Lebewesen haben sie zu einem beliebten medizinischen Forschungsobjekt gemacht. Einen Stein vom Bachbett nehmen wir als Souvenir mit zur Unterkunft.

Räuberische Steinfliegenlarven

Bestimmungsübung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Mittagessen zeigt Barbara mit dem Steintastkreis, dass bei der intensiven Beschäftigung mit einem Lebensraum neben der naturkundlichen Vermittlung auch spielerische und meditative Methoden eine willkommene Abwechslung sind. Wir beenden den Nachmittag mit einem Vortrag zu den heimischen Fischarten. Da die meisten davon auf ein Fließkontinuum der Flüsse angewiesen sind, leiden sie wie kaum eine andere Tiergruppe an den Folgen von Flussverbauungen und Kraftwerksbau. Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass mehrere Flussrenaturierungsprojekte in Tirol auf eine langsame Trendumkehr hinzeigen. Auch Hermann Sonntag hat bei seinem Abendvortrag über Gewässer-Lebensräume in Tirol von einigen interessanten Renaturierungsprojekten zu berichten.

Für die Exkursion mit Bodenökologin Dr. Julia Seeber von der Universität Innsbruck haben wir uns ein bachnahes Waldstück unweit von Hinterriss ausgesucht, welches mit seiner Streuschicht aus Buchenlaub und dem Totholzbestand gute Funde verspricht. Doch bevor wir den Boden auf seine Bewohner hin untersuchen, werden die Grundlagen der Bodenbildung erklärt. Im Alpenraum blicken die Böden auf eine höchstens 10.000-jährige Geschichte zurück – den „eiszeitlichen Hobel“ hat kein vorher entstandener Boden überstanden. An unserem Hangstandort im Schatten von Fichten und Buchen muss die Bodenbildung auch in jüngerer Vergangenheit immer wieder gestört worden sein. Julia stellt den Pürckhauer-Bohrstock vor, ein unverzichtbares Instrument zum Erforschen der Bodenhorizonte. Trotz relativ geringer Bodenmächtigkeit scheint die Streuschicht gut belebt zu sein. Als Erstes versuchen wir, die Tätigkeit der Bodenorganismen durch das Sammeln verschiedener Blattzersetzungsstadien sichtbar zu machen.

Julia Seeber mit Pürckhauer-Bohrstock

Auf der Suche nach Bodentieren

 

 

 

 

 

 

 

Die natopia-Bodentiere-Plane soll eine eigenständige Zuordnung der Funde ermöglichen. Dazu werden zuerst die Grundbegriffe geklärt und die wichtigsten Kategorien abgesteckt. Von Regenwürmern, Fadenwürmern, Schnecken, Zweiflüglerlarven über die verschiedenen Insektengruppen bis hin zu Spinnentieren, Asseln und Tausendfüßern reicht die Palette der in Laubstreu und Totholz zu erwartenden Tiere.

Es sind nicht nur die oft zitierten zwittrigen Regenwürmer, von denen es etwa 20 Arten in Tirol gibt, die durch ihre Lebensweise als Destruenten und Bioturbatoren viel zur Funktion und Gesundheit der meisten terrestrischen Lebensräume beitragen und auch für den landwirtschaftstreibenden Menschen von enormer Bedeutung sind. Eine ganze Schar von Organismengruppen in der Streu und im Boden ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten am Abbau der anfallenden toten organischen Substanz beteiligt. Wir finden zum Beispiel verschiedene Vertreter der Gruppe der Tausendfüßer: einen pflanzenfressenden Schnurfüßer und einen Bandfüßer, die mit ihren zwei Beinpaaren pro Körpersegment zur Klasse der Doppelfüßer gehören. Die Tiere sind schön und faszinierend, aber die Becherlupe verströmt einen unangenehmen Geruch – hier kam wohl schon das stinkende Abwehrsekret zum Einsatz. Ebendort einzuordnen ist auch die Ordnung der Saftkugler, die sich bei Gefahr zu einer kleinen harten Kugel formen können – der erste Teil ihres Namens hingegen kommt von dem leicht giftigen und klebrigen Saft, mit dem auch sie sich bei Gefahr zu wehren vermögen. Wir haben die Möglichkeit zum direkten Vergleich mit Asseln. Diese sehen auf den ersten Blick ähnlich aus, haben aber eine ganz andere Verwandtschaft – als landlebende Krebstiere sind sie an sehr hohe Luftfeuchtigkeit gebunden und finden sich daher niemals im ungeschützten Sonnenlicht. Auch die auffälligen räuberischen Vertreter der Hundertfüßer bleiben unserem Forscherblick nicht verborgen: der Steinläufer geht auf aktive Beutejagd und überwältigt die Beute mit seinem Gift.

Der Schrotbock gesellt sich zu unserer Runde

Bestimmungsübung

 

 

 

 

 

 

 

In der artenreichen Klasse der Insekten bilden wiederum die Käfer jene Ordnung, welche die weltweit größte Artenvielfalt (350.000 beschriebene Arten!) aufweist. Wir stoßen unter anderem auf einen Laufkäfer, einen Blattkäfer, einen Schrot-Bockkäfer und die „Drahtwürmer“ genannten und bei Bauern gefürchteten Larven der Schnellkäfer: der Saatschnellkäfer kann bedeutende Ausfälle im Getreide- oder Kartoffelanbau bewirken. Adulte Schnellkäfer können ganz andere Sachen: ein gefundenes Exemplar führt uns eindrucksvoll den namensgebenden Schleudermechanismus vor, mithilfe dessen sich die Tiere von der Rückenlage aus in die Luft katapultieren können. Eine Größenordnung kleiner, aber nicht weniger faszinierend, sind die winzigen Springschwänze, die als Indikator für eine lockere Bodenstruktur gelten, und die intensiv gefärbte Rote Samtmilbe.

Am Nachmittag tritt Geologe Mag. Magnus Lantschner zur Mission an, Farbe in die zumindest für Laien oft grau anmutende Welt der Gesteinskunde und Gebirgsentstehung zu bringen. Zu diesem Zweck hat er viele selbst gebastelte Materialien und kreative Methoden mit im Gepäck. Spielerisch starten wir mit einer Simulation des Sonnensystems und lernen, wie sich die vom serbischen Mathematiker Milutin Milanković erforschten Zyklen auf die Klimageschichte der Erde auswirken. Es geht weiter mit einem Blick zurück auf die 4,6 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Planeten, welche sich als 46 Meter lange gestrickte Schnur vor der Gruppe ausbreitet. Nach und nach werden die Zeitpunkte der Erstnachweise verschiedener Tier- und Pflanzengruppen markiert, sowie auch die fünf großen Massensterben der bisherigen Erdgeschichte (aktuell erleben wir das sechste).

Magnus Lantschner mit seiner Zeitschnur

Das Sonnensystem visualisiert

 

 

 

 

 

 

 

Spielerisch werden auch die wichtigsten Mechanismen der Evolution bei einer abgeänderten Variante des bei Naturpädagog*innen beliebten Eichhörchenspiels thematisiert. Ein Grundverständnis der wichtigsten erdgeschichtlichen Ereignisse und der sie beeinflussenden Dynamiken ist für ein gutes Verständnis der Gesteinswelt Voraussetzung. Im Schichtaufbau von Gebirgen haben sich nämlich urzeitliche Vulkanausbrüche genauso verewigt wie das Leben und Sterben kalkbildender Meeresbewohner. Die Kräfte der Konvektionsströmungen im zähflüssigen Erdmantel sorgen dafür, dass die Plattentektonik das Gesicht unseres blauen Planeten ständig verändert. Zur Veranschaulichung lädt Magnus zum Experimentieren mit warmem und kaltem Wasser, Tinte und Eiswürfeln in Glasgefäßen ein – so werden auch schwer vorstellbare erdgeschichtliche Abläufe greifbarer. Ein ebenso kreativer Zugang wird geboten, um einen Einblick in den Deckenaufbau der Alpen und die damit zusammenhängenden Gebirgsauffaltungsprozesse zu erhalten. Von Stoffdecken bis Puzzles hat Magnus keine Mühen gescheut – das lohnende Ergebnis: es gelingt, viel Licht in das bei vielen TeilnehmerInnen vorher noch herrschende geologische Dunkel zu bringen.

Konvektionsexperiment

Startschuss beim Eichhörnchenspiel

 

 

 

 

 

 

 

 

Herkunftsorte der Teilnehmer*innen

Deckenaufbau der Alpen

 

 

 

 

 

 

 

Am Sonntagmorgen gibt es nach einem Ortswechsel auf das Seefelder Plateau gleich ein Wiedersehen mit Magnus. Im Naturschutzgebiet Reither Moor wollen wir uns mit der Entstehung von Mooren und deren Besonderheiten auseinandersetzen. Auch hier kommen wir um einen Blick in die Erdgeschichte nicht herum. Die Karte mit der maximalen Eiszeitvergletscherung macht verständlich, wie groß der Einfluss des so genannten eiszeitlichen Hobels auf unser Landschaftsbild war.

Blick aufs Naturschutzgebiet Reither Moor

Magnus Lantschner zeigt Eiszeitspuren in der Landschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

Erst nach Abklingen der letzten großen Vergletscherungsperiode konnten besonders am niederschlagsreichen Alpennordrand nacheiszeitliche Seen zu Niedermooren verlanden. In der weiteren Entwicklung sorgt das Wachstum der Torfmoose für eine uhrglasförmige Aufwölbung des Torfkörpers – das Moor steht irgendwann nicht mehr mit dem Grundwasser in Verbindung und wird zum Hochmoor oder Regenmoor. Moore sind nicht nur als Kohlenstoffspeicher für den Klimaschutz von großer Bedeutung, sondern auch als einzigartiger Lebensraum für hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten. In einem Übergangsmoor, in dem Wollgräser und Fieberklee das Bild bestimmen, finden wir einen kleinen Abschnitt mit einer typischen Hochmoor-Pflanzengesellschaft: zusammen mit den Torfmoosen wachsen dort Besenheide, Moosbeere und der fleischfressende Rundblättrige Sonnentau. Zum Abschluss erproben die Teilnehmer*innen noch spielerisch die Arbeitsweise von Palynolog*innen: in einem „Moor-Krimi“ soll anhand der Auswertung des Anteils verschiedener Pollenkörner aus unterschiedlichen Torfschcihten die Vegetationsgeschichte rund um das Moor seit der letzten Eiszeit rekonstruiert werden.

Moosbeere, Besenheide, Torfmoos

Rundblättriger Sonnentau, Insektenvertilger

 

 

 

 

 

 

 

Moorentstehung nachgebaut

Pollenforscher

 

 

 

 

 

 

 

Da Menschen, die in der Naturvermittlung tätig sind, immer wieder mit Naturschutzthemen konfrontiert werden, darf auch eine Einheit zu diesem Thema im Tiroler Naturführerkurs nicht fehlen. Mag. Andreas Jedinger hat sich in seiner Laufbahn als Biologe nicht nur als Geschäftsführer dem Verein Natopia und der Naturpädagogik verschrieben, sondern bringt auch einiges an Praxiserfahrung aus der Naturschutzarbeit mit. Er klärt zuerst wichtige biologische Grundbegriffe, auf denen aufbauend eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den naturkundlichen, politischen, wirtschaftlichen und juristischen Aspekten des Naturschutzes stattfinden kann.

Andreas Jedinger, Naturschutzexperte und Geschäftsführer Natopia

Ein Schutzgebiet entwerfen

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundbegriffe im Naturschutz

Problem Überdüngung: Fettwiese am Moor

 

 

 

 

 

 

 

In einer Planungsaktivität sollen sich die Kursteilnehmer*innen mit möglichen Schutzzielen und den dazu passenden Strategien beschäftigen. Das Verständnis verschiedener ökologischer Faktoren und unterschiedlicher Konkurrenzstrategien macht deutlich, dass Artenschutz auch immer mit Lebensraumschutz einhergehen muss. Kein Organismus kann auf Dauer bestehen, wenn ihm seine ökologische Nische abhanden kommt. Der kurze Einblick in den Ablauf eines Naturschutzverfahrens lässt erahnen, dass der politische Alltag zäh ist und Naturschutz-Erfolge oft das Ergebnis mühsamer Kämpfe und langwieriger Verhandlungen sind. Die schöne und lebendige Moorlandschaft um uns herum in einer touristisch hochentwickelten Gegend erinnert uns daran, dass es den Einsatz wert ist!

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