Hoch hinaus am Großglockner – Tiroler Naturführer:innen im Nationalpark Hohe Tauern (Gruppe 2)
Die Hohen Tauern rufen zum Höhenflug beim Modul Gebirge des heurigen Naturführer:innenkurses vom 27. bis 30. Juni in Kals am Großglockner. Nachdem wir in den ersten Kursmodulen zu den Lebensraumschwerpunkten Wasser, Wald und Wiese in drei der fünf Tiroler Naturparke zu Gast waren, darf zum Abschluss auch die Königsklasse der Schutzgebiete nicht fehlen. Der Nationalpark Hohe Tauern bietet ein grandioses Setting, um sich mit den speziellen Anpassungen von Gebirgspflanzen und -tieren zu beschäftigen. Außerdem lädt das zumindest unter Geologen weltweit bekannte Tauernfenster uns dazu ein, nochmal die Grundlagen der Geologie zu vertiefen – mit besonderem Augenmerk auf die metamorphen Umwandlungsgesteine, die für die Region so charakteristisch sind. Und weil Inhalte nicht alles sind, gibt Kommunikationsprofi Martin Krejcarek den angehenden Naturführer:innen wertvolle Tipps zu Gruppenleitung und Veranstaltungsaufbau mit auf ihre beginnende Laufbahn.
Am Donnerstag Vormittag nutzen wir die Anreiseroute in Richtung Kals am Großglockner für einen kurzen Besuch bei unserem “Naturraum-Gastgeber”. Nationalpark-Ranger Andreas Rofner empfängt die Gruppe direkt beim Nationalparkhaus in Matrei in Osttirol, wo er in einem Vortrag die historische Entwicklung der Nationalpark-Idee aufrollt und in weiterer Folge auf die Gründungsgeschichte und aktuelle Situation seines Arbeitgebers herunterbricht. Im Vergleich zu den Tiroler Naturparks hat der Nationalpark Hohe Tauern ein um ein Vielfaches höheres Budget – auch das feste Anstellungsverhältnis der Nationalpark-Ranger:innen erlaubt eine Kontinuität und Qualität in der Betreuung und Öffentlichkeitsarbeit, von der andere Schutzgebiete nur träumen können. Neben dem sich dramatisch beschleunigenden Abschmelzen der Alpengletscher ist auch die mancherorts geradezu apokalyptisch anmutende Situation der Osttiroler Wälder nach dem Sturmtief Vaia (Herbst 2018) und Borkenkäfer-Massenvermehrungen ein Thema von großer Dringlichkeit.
Am Nachmittag steht eine Exkursion ins Ködnitztal mit dem Schwerpunkt Naturbeobachtung und Wildtiere auf dem Programm. Unser Begleiter Andreas Rofner ist schon seit über zwei Jahrzehnten Ranger im Nationalpark Hohe Tauern. Da kommen über die Jahre eine ganze Menge Beobachtungen und Wissen zusammen. Wir haben also bei der Wildtier-Exkursion mit Andreas die Gelegenheit, diesen reichen Erfahrungsschatz anzuzapfen und uns von seiner Begeisterung für die Lebewelt der Hohen Tauern anstecken zu lassen. Die Vorfreude ist groß, als wir mit Spektiv und Ferngläsern ausgerüstet zur Wildtierbeobachtung am Fuß des Großglockners aufbrechen.
Einen Überblick über die berühmten alpinen „Big Five“ (Murmeltier, Gämse, Steinbock, Steinadler, Bartgeier), mit denen der Nationalpark seine Wildtier-Exkursionen bewirbt, gibt es im Panoramahaus mit Glocknerblick. Wir behalten uns in weiser Voraussicht die Option auf Überdachung für später auf, nutzen das Schönwetterfenster und stürzen uns in die Wildtierbeobachtung. Schon nach Kurzem machen sich linkerseits am Grat einige Geißen der Gämse mit Kitzen bemerkbar. Diese Verbunde zur gemeinsamen “Kinderbetreuung” sind typisch, während die Böcke meist Einzelgänger sind. Eine noch größere Gruppe mit über einem Dutzend Tieren steigt auf der gegenüberliegenden Talseite langsam ab und kommt uns so immer näher. Dies erlaubt uns eine intensive Beobachtung von Verhalten und Anatomie der geschickten Kletterer durch das Spektiv. Später gesellen sich zwei Steingeißen mit Kitz zu unseren Sichtungen. Aus wildbiologischer Sicht ist der Alpensteinbock das Sorgenkind der Stunde im Nationalpark. Die Art leidet in genetischer Hinsicht immer noch unter dem Flaschenhals, den die beinahe Ausrottung durch Überbejagung verursacht hat. Die Milbenkrankheit Räude und der Klimawandel sind zwei Herausforderungen, und mit dem parasitischen Roten Magenwurm steht eine weitere Gefahr in Verzug. Anhand mitgebrachter Präparate erklärt Andreas, was Horn von Geweih unterscheidet und welche Anpassungen den Hochgebirgs-Paarhufern ein Leben unter rauhen Bedingungen ermöglichen. Auch am Himmel ist Einiges los. Der Steinadler in Gratnähe hat zwar mit etwa zwei Meter Flügelspannweite einen eindeutigen Größenvorteil, aber in Hinblick auf Selbstbewusstsein stehen ihm der ihn attackierende Turmfalke und die wendigen Alpendohlen drumherum in Nichts nach. Bald wird es dem Adler zu bunt und er lässt sich nach blitzschneller Querung auf dem gegenüberliegenden Grat zum Sitzen nieder. Die Warnschreie der Alpenmurmeltiere durchdringen immer wieder die Stille im Ködnitztal. Mit Ferngläsern beobachten wir die oft wenig scheuen Nagetiere, die nur im Familienverband überleben können. Unfassbar, dass sie im Winter ihren Stoffwechsel auf wenige Herzschläge und Atemzüge pro Minute und ihre Körpertemperatur auf wenige Grade über Null herunterfahren können.
Der einsetzende Regen treibt uns gerade rechtzeitig ins Glocknerpanorama zurück, wo Andreas interessante Geschichten zum polyandrischen Liebesleben und Kainismus des Bartgeiers, dem „Lämmergeier“-Irrtum und Nahrungsanpassungen sowie Brutverhalten erzählt. Aufgrund der weiten Tagesstrecken von bis zu 500 Kilometern pro Tag sind für aufmerksame Naturbeobachter:innen Sichtungen auch weit außerhalb der Brutgebiete möglich. Wir werden die Herausforderung mit nach Hause nehmen, denn der Bartgeier lässt sich als einziger der fünf Großen nicht blicken.
Am Donnerstag gibt es ein Wiedersehen mit dem aus dem ersten Modul bekannten und berüchtigten Geologie-Methodenprofi Magnus Lantschner. Zur Einstimmung lädt er die Kursteilnehmer:innen ein, den im Ortszentrum aufgestellten Serpentinit zu be-greifen und mit geschlossenen Augen tief in die Gesteinswelt einzutauchen – inklusive der damit verbundenen relevanten zeitlichen Dimensionen. Magnus erzählt im Zeitraffer den Werdegang eines der geologischen Aushängeschilder der Hohen Tauern. So vergehen in wenigen Minuten gut 150 Millionen Jahre, bis der grüne Serpentinit nach einer langen Reise durch die Erdkruste vor „nur“ 5-10 Millionen Jahren erstmals ans Sonnenlicht kommt. Wie ein Korken schnellen die Gesteine des Tauernfensters in die Höhe und schlussendlich an das Licht der Welt, nur eben mit den Geschwindigkeiten, die nur in der Geologie selbstverständlich sind – bei dieser Aufwärtsbewegung gehen Fachleute von etwa einem Millimeter pro Jahr aus. Von einem Aussichtsplatz mitten in Kals vor unserem Basilager Ködnitzhof bietet sich eine Aussicht, die in geologischer Hinsicht lehrbuchreif ist: Der Rasegg-Schwemmfächer auf der gegenüberliegenden Talseite ist ein Musterbeispiel für einen alpinen Schwemmkegel. Landschaftselemente wie dieses erzählen von einer relativ jungen Talgeschichte. Die umgestaltenden Kräfte einer Eiszeit würde ein derartiger Schwemmkegel nicht überdauern, da es sich nur um eine riesige Ansammlung aus losem Schuttmaterial handelt.
Nach dem kurzen Einstieg im Dorfzentrum fahren wir in Richtung Dorfertal. Die Geschichte der verhinderten Flutung dieses Tals für einen Speichersee ist eng mit der Gründung des Nationalparks Hohe Tauern verwoben. Wir erfahren, dass besonders die Kalser Frauen eine entscheidende Rolle als Aktivistinnen gegen das energiewirtschaftliche Megaprojekt spielten – und haben im Tagesverlauf noch Gelegenheit, uns das idyllische Dorfertal im verbauten und überfluteten Zustand vorzustellen. Bevor wir uns auf die geologische Wanderung machen, stellt Magnus noch seine „eierlegende Wollmilchsau der Alpenentstehung“ vor. Damit meint er den Versuch, auf einer einzigen mehrere Meter langen Plane all jene erdgeschichtlichen Zeitalter mitsamt der wichtigsten Organismen, Ablagerungs- und Auffaltungsprozesse bildhaft darzustellen, die für die Alpen und ihre Gesteine von Bedeutung sind.
Am Einstieg der Daba-Klamm, die aufgrund der natürlichen Verengung am oberen Ende für Kraftwerksbetreiber noch Ende des vorigen Jahrhunderts geradezu prädestiniert für eine Staumauer schien, stiehlt ein botanisches Highlight vorübergehend der Gesteinswelt die Show: einige Exemplare der kalkliebenden Orchidee Frauenschuh laden zum Bestaunen ein, auch wenn die Blüten schon am Vertrocknen sind. Später finden wir an einem frischeren Standort einen kleinen Bestand in voller Blütenpracht. Zurück in der Geologie bekommen die Kursteilnehmer:innen noch zwei Aufgaben für die Wegstrecke durch die Schlucht, ausgerüstet mit verdünnter Salzsäure und Hammer. Den für die Gegend charakteristischen (und kalkfreien) Grünschiefer zu finden, und mit dem Salzsäuretest die ähnlich aussehenden, aber chemisch sehr unterschiedlichen Minerale Quarz und Calcit (Kalkspat) unterscheiden zu lernen. Calcit bricht gerade ab und schäumt unter Zugabe von verdünnter Salzsäure auf, da das Calciumcarbonat aufgelöst und Kohlendioxid freigesetzt wird. Außerdem kann die Härte eines Gesteins ein wertvolles Indiz zur Unterscheidung sein. Härtere Minerale ritzen weichere an – der Geologe Friedrich Moos nutzte schon im frühen 19. Jahrhunderten diese einfache Einsicht zur Erstellung einer Härteskala von 1 bis 10, auf der Calcit das Referenzmineral für den Wert 3 (mit Kupfermünze ritzbar, mit Taschenmesser erst recht) und Quarz jenes für den Wert 7 (ritzt Fensterglas) darstellt. Nicht zu verwechseln ist die Härte mit der Zerbrechlichkeit eines Minerals. Während wir uns mit ansteigenden Höhenmetern den Weg durch die Erdgeschichte erarbeiten, stoßen wir zuerst auf Kalkglimmerschiefer und Kohleschiefer. Daraufhin durchwandern wir endlich jene Zone in der Abfolge der Gesteinsschichten der Schlucht, in der wir beim Grünschiefer fündig werden. Auch Quarz und Calcit werden ausgiebig mit Salzsäure beträufelt, und das geologische Gespür wächst mit dem Fortschritt der Wanderung. Der Blick in die Daba-Klamm lässt uns die erosive Kraft des Wassers regelrecht spüren. In den steilen Wänden gegenüber lassen sich von der Aussichtsplattform aus mit dem Fernglas die seltenen, aber auffälligen Mauerläufer erspähen.
Im Hochtal angekommen, packt Magnus sein Rieselbild aus, bei dem verschiedene für die Alpengesteinsbildung wichtige Sedimentationsprozesse zwischen zwei eingerahmten Glasscheiben bildhaft verständlich gemacht werden – it’s showtime! Magnus lässt Sand, Schotter, Muschelstücke und andere symbolische Sedimente sich ablagern. So werden Buntsandstein, Salz- und Gipsablagerungen, Wetterstein, Hauptdolomit, Partnach-Schichten, Hauptdolomit, Ölschiefer, Kössener Schichten, Oberrät- und Adneter Kalk sowie die Allgäu-Schichten und Radiolarit zu mehr als trockenen Begriffen. Zum krönenden Abschluss dieser Performance simuliert Magnus noch einen Vulkanausbruch mit selbst angerührtem rotem Magma – das Gran Finale des Vormittags. Am Nachmittag geht es nach stärkender Mittagspause zwischen Almblumen darum, mit den wichtigsten metamorphen Mineralien und Gesteinen näher auf Tuchfühlung zu gehen. Ausgestattet mit Lupen, Infoblättern, Diagrammen, Mineralien in Reinform und verschiedenen Gesteinen machen wir uns mit Glimmer, Feldspat und Granat vertraut und beschäftigen uns mit den Bedingungen, unter denen sie jeweils entstanden sind. Diese spezifischen Entstehungsbedingungen machen auch viele Mineralien zu Indikatoren, die uns viel über die Geschichte eines Gesteins erzählen können.
Der kreative Abschluss kommt den schon leicht rauchenden Köpfen der angehenden Naturführer:innen entgegen. Verschiedene Kleingruppen loten das künstlerische Potential der Beschäftigung mit Steinen aus. Diese werden nach Form, Größe oder Art der Mineralien angeordnet. Im Nu entsteht so eine wunderschöne Steinkunstlandschaft im Bachbett. Nur bei einer Kleingruppe dürfen die Gehirne weiter qualmen. Die vergleichende Dichtemessung verschiedener Gesteine mit einfachsten Hilfsmitteln (Eimer und Federwaage) stellt allerdings gar kein Problem für die analytischen Köpfe dar, und im Nu ist eine Auswahl von Gesteinen zum Dichtequiz aufgelegt. Für Aha-Momente zum Abschluss des abwechslungsreichen Geologie-Tages sorgt das Leuchten der Quarzsteine im stockfinsteren Tunnel (piezoelektrischer Effekt).
Der Biologe und Naturpädagoge Philipp Kirschner, der sich im Zuge seiner Forschungstätigkeit auch intensiv mit Hochgebirgspflanzen auseinandersetzt, begleitet uns am Samstag bei optimalen Wanderbedingungen noch einmal durch das Ködnitztal in Richtung Großglockner – mit dem Erreichen der Stüdlhütte auf ca. 2.800 Metern Meereshöhe haben wir uns ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, welches Zeitdisziplin erfordert. Im Vergleich zur Wildtier-Exkursion mit Andreas Rofner haben wir unseren Blick aber auf eine andere Brennweite eingestellt, und unser Fokus gilt diesmal mehr dem Boden samt Bewuchs statt dem Himmel und den entfernten Hängen. Doch Philipp wird uns vorführen, dass auch im Kleinen große Sehenswürdigkeiten verborgen liegen. Seine beachtliche Fachkenntnis zur alpinen Flora paart sich mit einer ansteckenden Begeisterung für die „Höchstleistungen“ der Gebirgspflanzen. Wir müssen uns schon fest vornehmen, einige Pflanzen auszublenden und die Wissbegier im Zaum zu halten, da wir uns einiges an Höhenstufen vorgenommen haben.
Schon nach wenigen Schritten machen wir zum ersten Mal Halt, da wir uns bereits mitten in einer für Gebirgslagen typischen Vegetationsgesellschaft befinden. Die Hochstaudenflur ist durch frischen, nährstoffreichen Boden gekennzeichnet. Hier wachsen stark wüchsige krautige Pflanzen mit großer Blattfläche, wie zum Beispiel der Alpendost und die Meisterwurz, welche zumindest den Schnapsliebhaber:innen ein Begriff sein sollte (wir geben uns mit der Wurzelverkostung zufrieden, eine bittere Angelegenheit!). In der Strauchschicht dominiert die Grün-Erle, begleitet von der Felsen-Johannisbeere. Beim nächsten Stopp im Almwirtschaftsgürtel beschäftigen wir uns unter anderem mit dem ökologisch wichtigen Thema von Pflanzen als Indikatoren. Wir sind mit einer Kuriosität konfrontiert, da die Rostrote Alpenrose und die Bewimperte Alpenrose am selben Standort zu finden sind. Erstere zeigt in der Regel silikatischen Untergrund an, zweitere hingegen deutet auf Kalk. Zusammen sprechen sie für die komplexe geologische Situation des Tauernfensters und erinnern uns daran, dass auch auf kalkhaltigen Gesteinsuntergründen eine oberflächliche Versauerung stattfinden kann. Manchmal hybridisieren die beiden Arten sogar.
Einige hundert Höhenmeter weiter oben, im Bereich der alpinen Rasen, bilden sich auf kalkreichem Untergrund Blaugrasrasen mit Horstseggen aus. Dort gedeihen auch der Tüpfel-Enzian und die Alpen-Anemone. Auf silikatischem Gestein hingegen ist die Krumm-Segge eine Leitart. Erst im Bereich des Krummseggenrasens stoßen wir dann auch auf die Landkartenflechte, welche Kalkgestein meidet, auf Felsblöcken, sowie auf Safranflechte und Totengebeinsflechte. Der Einfluss des geologischen Untergrunds auf die Vegetation nimmt im Hochgebirge zu, da durch die geringeren Bodenmächtigkeiten die Pflanzen stärker von den Eigenschaften des darunterliegenden Gesteins beeinflusst werden.
Im Bereich zwischen Luckner- und Stüdlhütte tauchen wir immer tiefer in die Welt der Hochgebirgsspezialisten und deren Anpassungen an eine zumindest zeitweise extrem lebensfeindliche Umgebung ein. An einer windgefegten Kante blüht die bestens angepasste Gemsheide, die ein günstiges Mikroklima in Bodennähe zu erzeugen vermag. Der Überlebenskampf bedingt ein äußerst langsames Pflanzenwachstum (ein Krummseggenrasen kann sich nur um etwa ein Millimeter pro Jahr horizontal ausbreiten), und viele Pflanzen setzen vermehrt auf vegetative Vermehrungsstrategien, anstatt sich nur auf die risikobehaftete Samenbildung zu verlassen (z.B. der Knöllchen-Knöterich). Mit Netz-Weide und Polsternelke stoßen wir auch auf zwei ausgesprochene Hochgebirgs-Spezialisten. Zwerg-Primeln und Frühlings-Enziane sorgen für Hingucker und Farbtupfer. In der subnivalen Zone in unmittelbarer Nähe der Hütte wachsen die absoluten Extrembergsteiger unter den Blütenpflanzen: der Gletscher-Hahnenfuß ist bekannt als eine der höchststeigenden Blütenpflanzen, und der Gegenblättrige Steinbrech hält mit über 4.500 Metern am Dom in der Schweiz sogar den europäischen Rekord. Ein naher Verwandter hingegen, der Rudolph-Steinbrech, hat als Endemit nur ein kleines exklusives Verbreitungsgebiet in den Ostalpen. Auch die von Carl von Linné als „kleinster Baum der Welt“ bezeichnete Kraut-Weide finden wir zum Abschluss in besonders schöner Wuchsform.
Nach vielen Erlebnissen, vermittelten Inhalten, neuen Perspektiven und entstandenen Freundschaften kehren wir am geographischen Höhepunkt der Ausbildung noch einmal in uns. Dazu lassen wir auf einer natürlichen Plattform mit Blick auf vom Gletscher ins Teischnitztal hinabrauschende Wasserfälle noch einmal absolute Stille walten – ein bewegender Moment an einem atemberaubenden Ort. In einer berührenden Abschlussrunde wird das Gewesene zelebriert, und auf das Kommende hinausgeschaut. Das Abgleiten auf den Schneefeldern unterhalb der Stüdlhütte und die Nahbegegnungen mit Murmeltieren und Steinböcken setzen dem abwechslungsreichen Wandertag im Hochgebirge die Krone auf.
Am Sonntag dürfen sich die Muskeln entspannen, an diesem Tag ist vor allem geistige Präsenz gefragt. Wir halten das Seminar mit Kommunikations- und Naturvermittlungsexperten Martin Krejcarek im Speisesaal des Ködnitzhofes ab. Martin gehört zu den Pionieren der österreichischen Naturpädagogik-Szene und arbeitet als Trainer und Organisationsentwickler mit zahlreichen Unternehmen und Insititutionen. Wir beschäftigen uns mit Vorurteilen, Gruppendynamiken und Interaktionsmustern. Dabei gehen wir vor allem den Fragen nach, wie qualitative Gruppenleitung aussehen kann, und welche Zutaten den Mix einer gelungenen Naturveranstaltung ausmachen. Wir diskutieren über zu beachtende Rahmenbedingungen, Authentizität der Naturführer-Persönlichkeit, Bedürfnisgruppen, Themen-Fokus, vielfältige Methodik und Dramaturgie („das Spiel mit der Spannung“). Durch seine langjährige Tätigkeit im Feld der Naturvermittlung zwischen Konzeption, Supervision und Durchführung kann Martin nicht bloß graue Theorie bieten, sondern auch zahlreiche Best-Practice-Beispiele von Naturerlebnisangeboten, die sich als besonders erfolgreich herausgestellt haben (z.B. Naturschauspiel Oberösterreich). Ein Leitwort bleibt hängen: „interessant“!
Ich bedanke mich bei allen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern an dieser Stelle für die schöne Zeit miteinander, das gegenseitige Befeuern und die auf gegenseitigem Respekt und Unterstützung fußende Gruppenkultur – in der Gewissheit, dass der Funke übergesprungen und das Fundament für eine lebenslange Vertiefung gelegt ist. Allen Lebewesen, die uns begegnet sind, danke ich für die Schönheit und Inspiration, die sie uns offenbart haben – und die Geduld, die sie manchmal mit uns und unserem Forschungseifer haben mussten.